Anmerkungen zur Wärmepumpe
von Tobias Reum
Tobias Reum M. Eng. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für neue Energie-Systeme InES in Ingolstadt
Ich möchte zuallererst anmerken, dass in der Welt der Technik nicht alles immer so eindeutig ist, wie man es auf den ersten Blick scheint – auch wenn das Fachgebiet eng mit den Naturwissenschaften verwandt ist. Oftmals schwanken Fertigungstoleranzen, es gibt viele aktuelle Entwicklungen, die Sachverhalte mitunter signifikant ändern können, und in der Technikwelt sind auch ökonomische Betrachtungen elementar, welche wiederum durch diverse Faktoren beeinflusst werden. Und zuletzt sind viele Themen auch in der Technik nicht von subjektiven Betrachtungen trennbar: Bei welchen Temperaturen fühlt man sich behaglich? Was ist „ansehnlich“? Wo beginnt ein Ton störend zu wirken?
Dennoch möchte ich als Forscher im Bereich Wärmepumpen gerne ein paar Punkte aufgreifen, die man immer wieder in Diskussionen zu hören kriegt – vielleicht ein wenig provokant überspitzt, auch wenn ich mich um eine neutrale Formulierung bemühe. 😉 Fangen wir an mit je fünf Kritikpunkten an Wärmepumpen, die ich als valide empfinde und weitere fünf, welche mich mittlerweile mehr ärgern.
Valide Kritikpunkte!
1. Die Investitionskosten sind gigantisch!
Nun. Ja, die Investitionskosten sind tendenziell höher als wenn man schlichtweg eine Gastherme durch eine neue ersetzt. Je nach Technologie (Luftwärmepumpen sind tendenziell billiger) können komplette Neuinstallationen um die 30.000 € kosten, verglichen mit Gasthermen für rund ein Fünftel? Solche Angebote habe ich zumindest gesehen.
Zwei Einschränkungen möchte ich aber erwähnen:
– Wärmepumpen sind (aktuell noch) stark gefördert! Das heißt, von den 30.000 € kriegt man – auch wieder je nach Stand – etwa 40% und damit 12.000 € zurück. Das drückt die Investitionskosten doch nicht wenig.
– Weiterhin sind es die Betriebskosten, wo Wärmepumpen (gerade aktuell im Herbst 2022) deutlich profitieren. Zwar steigen auch Strompreise, aber in gänzlich anderem Verhältnis zu Gaspreisen. Von dem langfristigen Effekt von Kohlenstoffdioxid ganz zu schweigen.
2. Da stehen so hässliche Kästen vor meinem Haus!
Da sind wir bei so einem subjektiven Punkt. Ja, viele Wärmepumpen (insbesondere Luftwärmepumpen, aber auch da nicht alle) brauchen irgendeine Art von Außeneinheit. Die kann man schön designen, die kann man bekleben, die kann man verstecken hinter Hecken oder Zäunen – aber im Endeffekt sind sie immer da. Und leider, je größer, desto effizienter und leiser. Nun bin ich als Ingenieur sicher nicht der beste Ansprechpartner für schönes Design und ich hoffe, dass das schneller „akzeptiert“ wird (riesige Parkflächen und Carports sind mittlerweile ja kein Thema mehr), aber aktuell ist es zumindest eine signifikante Änderung des Gartenbildes, wo auch immer man das Außenteil hinstellt.
3. Die Wärmepumpe funktioniert mit meinen Heizkörpern nicht!
Hier möchte ich erstmal anmerken, dass das wieder von vielen Faktoren abhängt. Aber Grundsätzlich, ja, sind die Heizkörper ein großes Thema, weil diese die nötigen Vorlauftemperaturen, um Räume in behaglichen Temperaturbereichen zu halten, maßgeblich aber nicht alleine beeinflussen.
Zunächst einmal: Die meisten Wärmepumpen können hohe Vorlauftemperaturen fahren. Sie können ja auch Warmwasserbereitung übernehmen. Insofern sind rein technisch die meisten Heizkörper kein Problem – es gibt zwar Altbauten mit extrem hohen Vorlauftemperaturen, aber auch da gibt es Techniken, diese zu ermöglichen (Stichworte Kältemittel, Zwischeneinspritzung etc.). Das sind aber Exoten, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte.
Grundsätzlich beeinflusst die Vorlauftemperatur die Effizienz sowie die maximale Heizleistung der Wärmepumpe. Insofern, ja, hohe Vorlauftemperaturen können größere Wärmepumpen erfordern und auch die elektrische Energie erhöhen, die zur Beheizung nötig ist.
Aber: Einmal beeinflussen nicht nur die Heizkörper die Vorlauftemperatur, sondern auch beispielsweise die Hausdämmung. Bessere Dämmung führt zu niedrigerer Heizlast, wodurch die Heizkörper geringere Leistung übertragen müssen, was zu niedrigeren möglichen Vorlauftemperaturen führt. Man kann auch einzelne Radiatoren umbauen in den kritischen Räumen oder schlicht hinzufügen – das sind aber sehr individuelle Lösungen, die man immer mit dem Energieberater/Heizungsbauer absprechen sollte.
Weiterhin verschieben sich die Betriebskosten, wie oben erwähnt, aktuell sehr stark zugunsten von Wärmepumpen. Dadurch werden auch höhere Vorlauftemperaturen potenziell wirtschaftlich, von Vorteilen wie PV-Eigenstromnutzung mal ganz abgesehen.
4. Die blöde Wärmepumpe geht andauernd kaputt!
Das ist wieder ein sehr individuelles Thema, was auch viel von Hersteller zu Hersteller variieren kann und auch viel von Glück und Pech abhängig ist. Meiner Erfahrung nach ist es aber richtig, dass Wärmepumpen tendenziell einen höheren Wartungsaufwand als Gasthermen haben. Der Kältekreis ist schlicht komplexer, es sind mehr bewegliche Teile, mehr elektrische Teile. Hier wird sich sicher technologisch noch viel tun und Erfahrung gesammelt werden, gerade im Inverter-Kompressor-Bereich, aber aktuell würde ich dem Punkt schlichtweg zustimmen.
Sorgen muss man sich deswegen aber nicht machen. Es gibt meist großzügige Garantien und falls etwas passiert, haben fast alle Wärmepumpen einen zweiten Wärmeerzeuger integriert (üblicherweise Heizstäbe), die ein Notversorgung sicherstellen können. Wenn eine Gastherme ausfällt, können im schlimmsten Fall gar Rohre einfrieren und platzen (was natürlich bei geeigneter Installation und mit Not-Handwerksdiensten auch sehr, sehr selten passiert).
5. Die Umsetzung ist viel zu kompliziert, das klappt nie!
Ein Wärmepumpensystem ist komplex, keine Frage. Das Thema mit der Vorlauftemperatur, wie man Warmwasser bereitet, eventuell sogar noch weitere Wärmeerzeuger (Gaskessel, Solarthermie, Holzöfen)… und dann die ganzen Details, die man an der Wärmepumpe selber falsch einstellen kann! Zusätzlich muss man noch mehr Gewerke einstellen, Elektriker beispielsweise brauchte man für Gasthermen bisher nicht. Das alles führt zu den Erzählungen, dass manchmal Wärmepumpen einfach Häuser nicht warm kriegen oder unerwartet viel elektrische Energie verbrauchen – da lief meist die Planung schief oder die Umsetzung wurde unsauber durchgeführt. Das kostet definitiv Zeit, Geld und Nerven.
Hier braucht man schlichtweg erfahrenes Personal in der Planung und bei den Heizungsbauern. In dem Bereich tut sich gerade unglaublich viel – Heizungsbauer lernen dazu, Planer machen Erfahrungen, auch die Energieberater können hier maßgeblichen Einfluss nehmen. Der Fachkräftemangel tut sein Übriges, diesen Wandel nicht unbedingt zu beschleunigen. Insofern ist das in jedem Fall ein valider Kritikpunkt, auch wenn erwartbar ist, dass sich das ändert – nur will sicher niemand jetzt Versuchskaninchen für jemanden spielen, der „mal eine Wärmepumpe probieren möchte einzubauen“. Dafür sind eben entsprechende Förderungen wie oben genannt wichtig, um Technologien einzuführen.
Mythen und Unfug!
1. Mein Haus hat eine viel zu hohe Heizlast!
Das ist einer Wärmepumpe schnurzpiepegal. Eine Wärmepumpe hat keinerlei Probleme, hohe Heizleistungen zu liefern – man braucht eben eine entsprechend ausgelegte Maschine. Es gibt Großwärmepumpen, die Heizleistung im megawatt-Bereich liefern können, und auch für den Hausbereich gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten für jede Heizlast.
Meistens bezieht sich dieser Punkt auf das oben genannte Thema mit den Vorlauftemperaturen, die in der Tat sehr relevant für eine gut laufende Wärmepumpe sind, aber die man auch mit verschiedenen Möglichkeiten angehen kann. Ein Haus kann auch wahnsinnig schlecht gedämmt sein, solange es große Heizungsflächen hat – dann arbeitet eine Wärmepumpe mit geringen Vorlauftemperaturen und bringt schlicht die hohe Heizlast, die auch eine Gastherme bringen müsste.
2. Wärmepumpen lohnen sich erst ab einem COP > 4!
Der COP beschreibt die Effizienz von Wärmepumpen. Ein COP von 4 bedeutet, dass für 4 kW Heizleistung nur 1 kW elektrische Leistung nötig ist. Die restliche Leistung kommt von der Umgebung (Luft, Erdreich, etc.). Es gibt in der Tat bestimmte Fördergrenzen, die eine Wärmepumpe erfüllen muss, um förderbar zu sein.
Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sich Wärmepumpen grundsätzlich erst ab einem COP größer als 4 lohnen. Woher kommt dieses Argument überhaupt? Historisch lag der Strompreis für große Verbraucher bei ca. 26 ct/kWh, der für Gas bei ca. 6 ct/kWh – ganz grob. Das heißt, die Wärmegestehungskosten – also der Preis für eine bestimmte Menge Wärme – war bei Gas vereinfacht 6 ct/kWh und bei einer Wärmepumpe bei 26 ct/kWh geteilt durch den COP, also bei etwa 6.5 ct/kWh. Und damit sind die Wärmegestehungskosten in der Tat etwa bei einem COP von 4 vergleichbar gewesen zwischen einer Wärmepumpe und einer Gastherme.
Nun ist diese Betrachtung aber reichlich vereinfacht und auch schlicht nicht mehr zeitgemäß. Jeder weiß, dass Gas auch abgesehen von der aktuellen Krise sich gegenüber Strom verteuern wird, von bereits erwähnten Vorzügen wie PV-Eigenverbrauch einmal abgesehen. Und auch die Investitionskosten, die man bei wirtschaftlichen Diskussionen immer beachten muss, verändern sich nahezu täglich.
Rechnen wir mal ein aktuelles Beispiel durch. Man bedenke, dass es hierbei um Neukunden geht, nicht um bereits laufende Verträge, was die Preise definitiv in die Höhe treibt, aber dafür ist es aktuell vergleichbar. Aktuell sind Arbeitspreise für Gas kaum noch unter 30 ct/kWh zu finden. Strompreise bewegen sich im Bereich von grob 60 ct/kWh. Ob diese Preise nun so bleiben oder nicht, welche Förderungen es gibt und was sich da in den nächsten Monaten tut – damit haben wir aktuell den Fall, dass eine Wärmepumpe lediglich einen COP von etwa 2 braucht, um vergleichbare Wärmegestehungskosten von etwa 30 ct/kWh zu haben. Diese Kritik muss also immer in Anbetracht der aktuellen Preislage betrachtet werden – und soweit möglich mit einem fundierten Blick in die Zukunft.
3. Wenn die Wärmepumpen laufen, dann kann ich nicht mehr einschlafen!
Klar ist: Wärmepumpen sind hörbar. Einerseits ist das der Verdichter, in dem Gerät selber und bei allen Wärmepumpen nötig, andererseits ist das der Ventilator bei Luftwärmepumpen. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Planung und auch der Kommunikation mit Nachbarn, dass man sich da austauscht, zusammen überlegt, plant. Natürlich gibt es Vorschriften, die auch durchaus streng sind. Aber gerade sensible Personen können sich durchaus gestört fühlen, insbesondere, wenn man nicht früh einbindet und einfach mal beim Nachbarn klingelt.
Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass Wärmepumpen möglichst dort installiert werden, wo Distanz zu Schlafzimmern ist. Wenn man aus der Küche oder dem Bad das Rauschen des Ventilators hört, ist das in der Regel kein Problem. Beim Schlafen möglicherweise schon eher – auch wenn die Wärmepumpe natürlich primär läuft, wenn es kalt ist, und da hoffentlich keine Fenster geöffnet sind.
Generell wird das Thema oftmals überdramatisiert. Ja, es muss beachtet und kommuniziert werden. Aber nein, in der Regel kann man sehr gut Abhilfe schaffen durch Hecken, viele Wärmepumpen bieten „Silent Modes“ an, man kann Ventilatordrehzahlen begrenzen, zulasten eines geringeren COPs – und allgemein tut sich gerade bei Ventilatoren auch durchaus viel. Mit etwas höherem Investitionsvolumen kann man deutlich leisere Wärmepumpen anschaffen.
Und überhaupt: Gerade im städtischen Bereich sind Autos oftmals deutlich lauter, Autobahnen und Schnellstraßen, Flugzeuge und Bahnen. An die ist man schlichtweg meistens schon gewohnt und realisiert sie nicht mehr – und dasselbe wird auch mit Wärmepumpen passieren. Wenn man sich nicht hineinsteigert und dieses eine neue Geräusch so sehr verteufelt, dass man es sogar über die tatsächlich vorbeidröhnenden, tiefergelegten BMWs auf der Hauptstraße hört.
4. Der Energieversorger schaltet mir meine Heizung aus!
Das ist durchaus möglich – wenn man einen speziellen Wärmepumpentarif über einen zweiten Stromzähler bezieht. Und auch dann nur nach strengen Regeln und keineswegs über Tage hinweg. Historisch war dieser Wärmepumpentarif zweigeteilt in Hoch- und Tiefpreistarife. Üblicherweise konnte so nachts, wenn weniger Verbraucher Strom benötigen und viele Kraftwerke einfach durchlaufen mussten oder wie Windkraftanlagen leicht durchlaufen konnten, ein geringerer Preis angesetzt werden und Wärmepumpen oder Nachtspeicheröfen Speicherkapazitäten nutzen für den Folgetag.
Allerdings ist dieses Preismodell sehr stark außer Mode gekommen, weil es schlicht weniger ökonomisch geworden ist. Die Preise haben sich ausgeglichen, die zweiten Stromzähler lohnen sich nicht mehr und PV-Eigenverbrauchsmöglichkeiten sind ebenso eingeschränkt, weil PV nur an einen Stromzähler angeschlossen werden kann – und dann nur entweder Haushalt oder Wärmepumpe mit Strom für den Eigenverbrauch versorgen kann.
Mit den heute gängigen Systemen, wo die Wärmepumpe am üblichen Haushaltsstromzähler angeschlossen ist, kann der Energieversorger nicht die Wärmepumpenheizung ausschalten. Klar, das Abschalten ganzer Straßenzüge über das Niederspannungsnetz geht im Falle von eklatanten Versorgungsproblemen – aber dann funktionieren auch keine Gasthermen mehr.